Das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, es nach den gegebenen Möglichkeiten zu gestalten, ist sowohl für Wael Al Shaar als auch für seine Ehefrau Maysaa Rahban seit jeher selbstverständlich – wenngleich immer nicht leicht und von Rückschlägen begleitet. Dass die beiden jemals in Deutschland einen Laden, ein eigenes Geschäft betreiben würden, damit haben sie nie gerechnet. „Wir sind sehr dankbar für die Chance, die wir hier bekommen.“ Angeboten werden die typischen arabischen Leckereien, Baklava, getrocknetes Obst, Nüsse, Kaffee und Gewürze. Aber auch auf spezielle Art frisch zubereitetes Eis und jeder Besucher wird eingeladen zu einem Tässchen echten arabischen Kaffee mit Kardamom und anderen Gewürzen. Dazu ein Tellerchen mit Nüssen gefüllten, getrockneten Datteln und Feigen zum Probieren – arabische Gastfreundlichkeit eben. Hinzu gesellt sich die typische syrische Herzlichkeit. „Es ist der Versuch, eine kulturelle Brücke zwischen dem Westen und dem Osten zu schlagen und ein altes Erbe zu beleuchten, welches über hunderte von Jahren hinausgeht und bis heute lebendig ist. Wir haben ihnen das gebracht, was einfach die Schönheit unseres Erbes ausdrückt und Kultur, die viele Aspekte des Handwerks und den Geruch von Kaffee umfasst. Und den ursprünglichen Geschmack von Süßigkeiten, die für ihre Herstellung durch syrische Familien berühmt sind und Generation für Generation weitergegeben wurden“, erklärt Maysaa Rahban.

 

Wael Al Shaar und Maysaa Rahban sind beide in Damaskus geboren – er Mitte Juli 1981, sie Ende August 1971. Maysaa Rahbans Vorfahren stammen jedoch von den Golanhöhen. Kennengelernt haben sie sich in Jordanien, von wo aus beide im Herbst 2015 nach Deutschland fliehen, allerdings getrennt voneinander. Das „Liebreiz“ eröffnen sie im September 2020, obwohl sie die Räumlichkeiten bereits im Februar mieten, dank Corona-Lockdown – er ist offiziell der Inhaber. Doch im Grunde genommen ist es ihr gemeinsamer Laden, bei dem auch noch die gesamte Familie mithilft, zu der ebenso die drei Kinder von Wael Al Shaar gehören. „Wir wollen das gesunde, schöne, syrische Leben nach Wismar bringen. Eigentlich sollte es ja ein Restaurant werden, aber die deutsche Bürokratie war für uns bisher eine Nummer zu groß.“

 

Wael Al Shaar kommt aus der Branche. Obwohl er keine Ausbildung im Gastronomiebereich hat, kocht er hervorragend. Nach seinem Abitur arbeitet er zunächst einige Jahre in Saudi Arabien, dann kommt er zurück nach Damaskus. 2010 eröffnet der Unternehmer in Südsyrien drei Textilläden im Einzel- und im Großhandel. Als ihm aufgrund der politischen Unruhen Gefängnis droht, sein komplettes Eigentum konfisziert wird, flieht Wael Al Shaar 2012 nach Jordanien. Dort lebt bereits sein Bruder, arbeitet als Sänger. Gemeinsam gründen sie dort 2014 ein Restaurant. Doch auch Jordanien ist kein gutes Pflaster für Syrer und so bleibt ihm nur die Flucht.

 

Nachdem Wael Al Shaar und Maysaa Rahban über verschiedene Stationen, angefangen vom Flüchtlingsauffanglager Horst bei Sternberg, dann Warin, in Wismar gelandet sind, gilt es zunächst einmal, Deutsch zu lernen. Wael Al Shaar macht das über Kurse der B+B Förderschule. Auch Maysaa Rahban macht das zuerst so, muss dann aber abbrechen, weil ihr an Autismus und Epilepsie leidender 21-jähriger Sohn ihre Unterstützung und Hilfe braucht. Er und sein 24-jähriger Bruder, die beide aus einer früheren Ehe stammen, kommen erst später nach Deutschland. Also lernt sie die Deutsche Sprache von da an im Selbststudium. Für sie kein allzu großes Problem, spricht sie doch bereits mehrere Sprachen: Nach der Schulausbildung studiert Maysaa Rahban Englische Literatur, arbeitet zeitgleich als Flugbegleiterin und gründet eine Veranstaltungsfirma. Hierfür ist sie weltweit unterwegs, lebt zeitweise auch in diversen Ländern. Ein jähes Ende bereitet dem dann ihr jüngster Sohn. Seine Handikaps sorgen dafür, dass sich seine Mutter mit alternativer Medizin,  Psychologie und Wissenschaft befasst.

In Vorbereitung des Geschäfts in Wismar besuchten beide einen Existenzgründer-Kurs und machten bei der IHK in Rostock den Befähigungsnachweis in Lebensmittelhygiene. Daneben engagiert sich Maysaa Rahban für ihre Landsleute, die mit ihr jetzt in Wismar und Umgebung leben, bringt Deutsche und Syrer zusammen, hilft bei sozial-psychologischen Problemen. „Mein Ziel ist es, ein alternatives Behandlungszentrum zu betreiben.“ Das Projekt befindet sich bereits im Aufbau und trägt den Namen „Magische Perle“. Und auch Wael Al Shaar hat seinen Traum: „Ich möchte auf jeden Fall noch mal mein syrisches Restaurant aufmachen, dann bin ich am Ziel.“

 

In der harten Zeit des Lockdowns im Zusammenhang mit der weltweiten Corona-Pandemie ist es besonders schwer, das Café Liebreiz am Leben zu erhalten. Es ist in erster Linie der aufopferungsvollen und zeitintensiven Arbeit von Wael Al Shaar zu verdanken, dass das Geschäft überhaupt existieren kann. Doch mit ihm sind er und Maysaa Rahban jetzt hoffentlich im Leben angekommen, möchten hier nie wieder weg. „Heimat ist da, wo das Herz ist – der Kaffeeladen hat unsere Heimat nach Wismar geholt und Wismar zur Heimat gemacht.“

Text: Peter Täufel

Kaffeehaus „Liebreiz“ – Orientalische Geschenkideen

Arabica Kaffee & Co
Wael Al Shaar
Maysaa Rahban
Lübsche Straße 22
23966 Wismar

Mobil: 0176 – 43838410
E-Mail: orientalische.liebreiz@gmail.com
Internet: www. liebreiz-grocery-store.business.site

 

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

fünf + 14 =