Wismar. Sie werden häufig auf ihren Dialekt angesprochen. Wer Bayrisch spricht, fällt auf im hochdeutschen Norden. Olga und Peter Just leben seit gut zwei Monaten in Wismar. Mitte Dezember zogen sie aus einem Dorf bei München in die Hansestadt. Sie ließen ihr altes Leben hinter sich.

Mit 55 beziehungsweise 57 Jahren haben sie in Nordwestmecklenburg noch mal neu angefangen. „Und es gefällt uns richtig gut hier“, sagt Olga Just. Geplant war diese Zäsur in ihrem Leben eigentlich nicht. Doch als ihr Vermieter ihnen nach 21 Jahren kündigte, wurden sie mit dem teuren Wohnungsmarkt in ihrem Bundesland konfrontiert. „Bislang zahlten wir 960 Euro Warmmiete für hundert Quadratmeter. Jetzt sollten es 1300 bis 1500 Euro Kaltmiete für 60 Quadratmeter sein“, erzählt Olga Just. Sie ist in der Pflege tätig, ihr Mann Elektriker. „Noch hätten wir es uns leisten können, wir haben gut verdient. Aber in zehn Jahren hätte ich nicht so viel Rente bekommen, wie die Kaltmiete kostet.“

Die Eheleute überlegten sich, dass sie auch anderswo arbeiten könnten. Wir haben immer gerne „Soko-Wismar“ geschaut. Die Landschaftsaufnahmen haben uns gut gefallen. So haben wir angefangen zu recherchieren. Im Juli waren sie erstmals in Wismar. „In die Altstadt habe ich mich sofort verliebt, gesteht die 57 Jährige. Sie nutzten ihre zwei Wochen Urlaub, um die Infrastruktur kennenzulernen – für den Fall, „wenn wir nicht mehr Auto fahren können“. Sie schauten sich Stellenangebote an, erkundigten sich nach Wohnungen. Der Zufall wollte es, dass die Eheleute in der Ostsee-Zeitung von der Fachkräftesuche des Welcome Service Centers am Ostseestrand lasen.

In Boltenhagen erfuhren sie von dieser Kampagne der Wirtschaftsfördergesellschaft Nordwestmecklenburg. „Und wir lernten Susann Malchow kennen. Sie hat uns alles erklärt. Die Beratung hat uns sehr gefallen.“ Noch im Urlaub schickten sie der Mitarbeiterin ihre Bewerbungsunterlagen. Wieder zu Hause in Bayern trudelten Jobangebote ein. Susann Malchow leitete sie per E-Mail weiter oder vermittelte telefonische Kontakte. „Wenn ich eine Stimme sympathisch finde, verlasse ich mich gerne auf mein Bauchgefühl“, verrät Olga Just. Das war so bei der Stimme von Ines Fittkau von der Diakonie in Grevesmühlen. Auch ihr Mann Peter legt Wert auf das persönliche Gespräch. Susann Malchow organisierte Vorstellungsgespräche in mehreren Firmen und Einrichtungen. Das Ehepaar ist ihr sehr dankbar „für ihre tatkräftige Unterstützung“.

So war es im Oktober schon wieder in Nordwestmecklenburg. „Um alles klar zu machen“, fuhr es im November erneut die 830 Kilometer aus dem Süden in den Norden Deutschlands. Olga Just ist seit Jahresbeginn Pflegedienstleiterin im Schwerstpflege und Förderheim der Diakonie „Am Tannenberg“ in Grevesmühlen. Peter Just arbeitet in einer Elektrofirma in Grevesmühlen.

Auch bei der Wohnungssuche hat das Welcome Service Center die Wahl-Mecklenburger unterstützt. Auf Wunsch wurden die Eheleute Mitglied in der Wohnungsgenossenschaft Union. Mitte Dezember zogen sie in eine 60 Quadratmeter große Wohnung am Kagenmarkt in Wismar. Für ihr neues Zuhause im zweiten Stock zahlen sie 345 Euro Kaltmiete. „Wir hätten heulen können, als wir erfuhren, dass es so wenig ist“, erzählt Olga Just. Der sanierte Wohnblock verfügt über einen Fahrstuhl, die Markant-Kaufhalle ist in der Nähe. Fußläufig wir weitere Läden und Ärzte in der Innenstadt erreichen. Wir fühlen uns sehr wohl hier. Der Verdienst sei zwar geringer als ihr früheres Einkommen, aber die niedrigeren Lebenshaltungskosten würden dies ausgleichen, versichert Olga Just.

„Es ist auch ein ganz anderes Arbeiten hier, viel angenehmer. Der Zusammenhalt ist besser. Und es wird nicht so viel Druck aufgebaut, wie wir es kennen.“ Auch ihr Mo – wie Mann auf bayrisch heißt – habe weniger Stress im Job als vorher. Sie nimmt ihn morgens im Auto mit nach Grevesmühlen. Am Abend fährt er mit dem Bus zurück. „Das Ticket kostet weniger als die S-Bahn nach München rein.“

Für das kinderlose Ehepaar sei das Leben viel lebenswerter. „Wir können mal ins Restaurant gehen. Das war in Bayern auch sehr viel teurer. Wenn es wärmer wird, wollen wir Ausflüge machen und die Umgebung kennenlernen.“ Sie sei eine Wasserratte und freue sich auf die Ostsee. „Die Meerluft ist auch gut für die Bronchien. Mit unseren kaputten Knien können wir eh nicht mehr in die Berge.“

Die Sturheit oder Zurückhaltung, die den Mecklenburgern oft nachgesagt wird, haben die Neu-Wismarer bislang nicht erlebt. Im Gegenteil, sagt Olga Just. „Freundliche und herzliche Menschen sind uns beim Spazierengehen oder Einkaufen begegnet. Völlig offen und locker. Auch deshalb bleiben wir hier und gehen nicht mehr weg. Jetzt mit Mitte 50 können wir uns noch gut integrieren.“

Von ihrer Begeisterung hat sie ihrer jüngeren Schwester vorgeschwärmt. „Sie und ihr Mann wollen auch raufkommen. Schau’n mer ma.“

Quelle: OSTSEE-ZEITUNG Wismarer Zeitung

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