Auf die Frage von Kunden und Bekannten, ob sie sich mit diesem Laden, den sie im Oktober 2019 eröffnet hat, einen Lebenstraum erfüllt habe, antwortet Simone Jürß ganz klar und bestimmt: „Nein, überhaupt nicht. Ich habe nur den Leerstand beseitigen wollen.“
Hintergrund dafür: Ein Teil dieses Hauses, welches ihr Elternhaus ist und vom Urgroßvater 1923 gebaut wird, steht über viele Jahre ungenutzt da, nachdem Vater und Mutter gestorben sind.

„Anfangs war es okay, auch um einen zeitlichen und emotionalen Abstand zu bekommen. Aber irgendwann war es einfach nur schade, dass es leer stand. Aber es gab natürlich sehr, sehr viel Reparaturstau.“ Es kommen Leute auf Simone Jürß zu, die fragen, ob sie dort nicht zur Miete wohnen könnten. „Das konnte ich mir nicht vorstellen. Genauso wenig wie den Vorschlag meiner Tante aus Berlin, hier Ferienwohnungen auszubauen.“
Sie fragt sich, was sie nebenbei leisten können würde, solange sie noch berufstätig ist – und: Was passt auch hierher? Nach dem Ausschlussprinzip kommt Simone Jürß auf die Idee mit einem Laden. „Aber nicht so eine Art Dorfkonsum, das würde hier nicht funktionieren, sondern irgendwas, das so breit aufgefächert ist, dass letztendlich jeder etwas findet – die Leute aus dem Dorf, die vielen Touristen, die hier vorbeifahren, die vielen Radfahrer, die wir hier sehen.“

Einen Laden, der für alle attraktiv ist. Aus der eigenen Kreativität, den Überlegungen über Inhalt, Sortiment und vor allen Dingen: wie soll das Kind überhaupt heißen, entwickelt sich Konzept und Name – Genialwarenladen. „Ich hatte einen Großonkel in Bad Doberan, der hatte einen Kolonialwarenladen – das ist zwar schon hundert Jahre her, aber ‚Genialwarenladen‘ fand ich irgendwie gut und habe mich da angelehnt.“
Der Name Genialwarenladen ist dann auch schon da, bevor Simone Jürß sich über den genauen Inhalt im Klaren ist. „So lange blieb dieser Name auch noch geheim, den sollte keiner wissen.“ Die Geschäftsgründerin überlegt sich, dass sowohl etwas zum Essen, als auch was Schönes zum Anschauen, vielleicht noch etwas Kunst im Sortiment sein soll – das ist die Idee. Sie ordnet das entsprechend der räumlichen Gegebenheiten. „So habe ich im hinteren Raum, welcher früher mal die ‚Gute Stube‘ war, die Galerie eingerichtet.

In der Alltagsstube befinden sich Handwerksarbeiten wie Keramik, Sachen aus Filz, ein bisschen Schmuck, auch einige Antiquitäten und einige wenige Bücher. Und in dem Raum, der ehemals die Küche war, habe ich alles, was man verzehren kann.“
Die Waren sind so zusammengesetzt, dass ein Großteil aus Behindertenwerkstätten kommt. „Das hat den Hintergrund, dass ich eine behinderte Tochter habe und deshalb das Sortiment der Behindertenwerkstätten sehr gut kenne und auch weiß, was die alles herstellen, was viele Leute gar nicht wissen.“

Dazu gehören Keramiken aus den Dreescher Werkstätten, die eine große Töpferei besitzen und dort auch Auftragsarbeiten machen, sowie ein großes Seifensortiment, fest und flüssig sowie auf ökologischer Basis zertifiziert, ebenfalls von dort.
Weiterhin ein großes Angebot an Kerzen aus den Marli-Werkstätten in Lübeck und Arbeiten aus Filz und Holz von der Kreativgruppe aus dem Arche-Hof Kneese – von dort kommen auch die Fleisch- und Wurstwaren.
Aus den Hagenower Werkstätten kommen die Kaffeesorten, die Schokoladen stammen aus deren angegliederten Café in Boizenburg mit Chocolaterie. „So haben wir angefangen. Und dann kam ein junger Mann aus Kasendorf, der sagte, er macht aus seinem Obst Liköre – da haben wir die auch mit ins Sortiment genommen. Ebenfalls die verschiedenen Säfte von Möckel Most in Lübseerhagen und meine eigenen Marmeladen.“

Über weitere Dinge wird nachgedacht, die noch hinzu genommen werden könnten. In der Galerie präsentieren sich abwechselnd Künstler aus der Region, wie zum Beispiel Marta Olejko aus Schwerin oder Ulf-Peter Schwarz aus Grevesmühlen.
„Zur Eröffnung hatte ich Arbeiten von Elga Voss, einer Künstlerin aus Hamburg, die aber ihr Atelier in Lassahn hat und eine Malgruppe im Arche-Hof Kneese betreut, worüber ich sie kennengelernt habe. Und bisher sind von allen Künstlern Bilder verkauft worden.“
Für die Zukunft sind auch Kulturveranstaltungen wie kleine Konzerte oder Lesungen denkbar. Dieses Gesamtkonzept ist so überzeugend, dass es durch LEADER-Mittel gefördert wird.

Für den Betrieb des Ladens hat Simone Jürß einen Mitarbeiter eingestellt. „Zum einen kommt er aus dem Verkauf, hat da viel Erfahrung, zum anderen kennt er viele Künstler, hat auch ein gutes Auge für Kunst und Kunsthandwerk.“
Nach zweijähriger Beobachtung des Kundenstroms hat sie jetzt die Öffnungszeiten des Ladens daran angepasst.
Das berufliche Engagement von Simone Jürß ist voll auf ihre Arbeit in der Kreisverwaltung gerichtet. Dort bekleidet sie die wichtige Funktion der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises. Hierbei handelt es sich um ein Amt auf Bestellung durch den Kreistag für jeweils fünf Jahre. „Ich bin in meiner Funktion für alle Einwohner des Landkreises zuständig – im Moment sind das etwa 156.000.“ In diesem Zusammenhang ist sie in sämtlichen Gremien dieser Verwaltungsebene einschließlich des Kreistages Gast mit Wächterfunktion und Vorschlagsrecht.
Aktuell befindet sich Simone Jürß hier seit 2012 in ihrer zweiten Amtszeit, diese läuft noch bis zum 31. Dezember 2022.

Text: Peter Täufel

 

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