Andreas Franz

Corona hinterlässt tiefe Spuren; auch in der Wirtschaft. Für manche Unternehmen zeichnet sich ein gefürchtetes Szenario ab: die Insolvenz. Doch sie kann auch Chancen bergen. Vorausgesetzt, man packt es richtig an. Wir haben mit dem Fachanwalt für Insolvenz Andreas Franz aus Schwerin gesprochen.

Herr Franz, wer kann oder muss einen Insolvenzantrag stellen?

Es gibt zwei Arten von Schuldnern. Zum einen die natürlichen Personen, die ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Einzelunternehmer oder im Rahmen Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) nachgehen. Zum anderen die juristischen Personen (zum Beispiel GmbH, AG, Genossenschaften) und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (hier meist GmbH & Co. KG). Die Geschäftsleiter dieser beiden letzten Rechtsformen sind zum Stellen eines Insolvenzantrags verpflichtet, wenn eine Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegt. Ansonsten machen Sie sich strafbar und haften im Regelfall persönlich für Zahlungen der Gesellschaft an Dritte.

 

Lassen Sie uns heute diese zweite Gruppe betrachten. Wann erfordert es die Lage denn, wann spricht man von einer Firmeninsolvenz?

Jedenfalls, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, sprechen wir von einer Insolvenz. Stark vereinfacht: Als zahlungsunfähig gilt, wer seine fälligen Verbindlichkeiten nicht bedienen und diese Lücke auch nicht innerhalb von ca. drei Wochen beseitigen kann.

Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen (Aktiva) nicht ausreicht, die Verbindlichkeiten (Passiva) des Unternehmens zu decken und keine positiven Fortführungsaussichten bestehen; sprich: die dauerhafte Fortführbarkeit des Unternehmens den Umständen nach nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

 

Welche Sonderregelungen galten/gelten aufgrund der Corona-Pandemie?

Die Sonderregelungen im sog. COVInsAG etwa zur Antragspflicht, zur Geschäftsführerhaftung, zur Anfechtung und zu Mieten sind für den juristischen Laien sehr kompliziert. Die bekannteste und für Geschäftsführer wohl wichtigste Regelung, die Aussetzung der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages, galt zunächst nur bis zum 30.09.2020. Ab Oktober 2020 wurde sie lediglich für den Fall der Überschuldung bis Ende 2020 verlängert.

Wegen des zweiten Lock-Downs seit November 2020 und der Verzögerungen bei der Auszahlung der Corona-Hilfen setzte der Gesetzgeber für Januar 2021 die Antragspflicht wieder vollständig aus – unter der Bedingung, dass das betroffene Unternehmen realistisch Anspruch auf diese Hilfeleistungen hat, diese beantragt wurden bzw. beantragt werden und diese Hilfen zur Abwendung der Insolvenzreife ausreichen. Die Regelung soll nun bis zum 30.04.2021 verlängert werden. Die aktuelle Aussetzung gilt also nicht, wenn keine Ansprüche auf Coronahilfen bestehen oder diese Ansprüche nicht zur Beseitigung der Insolvenzgründe ausreichen.

Lassen Sie mich dazu noch etwas sagen: Die Insolvenzgerichte verzeichnen derzeit einen geringeren Eingang von Insolvenzanträgen als in den Vorjahren. Ich habe das ungute Gefühl, dass ein Grund dafür ein fehlerhaftes Verständnis dieser Sonderregelungen sein könnte. Ich kann an die Geschäftsführer von Unternehmen in Schwierigkeiten nur dringend appellieren, die eigene Situation genau zu analysieren und sich gegebenenfalls Unterstützung zu holen.

 

Was sollte der Geschäftsführer insolvenznaher oder insolventer Unternehmen tun?

Bei Vorliegen von Insolvenzreife, die nicht durch Corona-Hilfen beseitigt werden kann, muss er zwingend Antrag stellen. Ist er unsicher, was auch angesichts der laufenden Änderungen des COVInsAG logisch wäre, ist neben der Nachfrage beim Steuerberater die Beauftragung von Fachleuten, zum Beispiel Fachanwälten für Insolvenzrecht, dringend anzuraten.

(red. Anm.: Eine Liste mit Fachanwälten, die Ihnen in der Situation beratend zur Seite stehen, gibt es bei der Anwaltskammer. Sie ist über die Website www.rak-mv.de,  telefonisch unter (0385) 51 19 60 0 oder per E-Mail unter info@rak-mv.de erreichbar.)

 

Welche Aussichten bestehen vor und bei Insolvenz für eine Sanierung?

Grundsätzlich gilt, je früher die Krise angegangen wird, desto besser die Sanierungschancen.  Auch hier empfiehlt sich, professionellen Rat einzuholen. Der Gesetzgeber hat zum Beispiel für insolvenznahe Unternehmen zum 01.01.2021 das STARUG, das Gesetz über den Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen, verabschiedet. Damit liegt eine gesetzliche Grundlage für insolvenzvermeidende Restrukturierungspläne vor. Selbst für den Fall der Insolvenz bestehen bei professioneller Vorbereitung regelmäßig immer noch gute Chancen auf Sanierung, zum Beispiel durch Insolvenzpläne oder übertragende Sanierung auf einen neuen Investor. Es ist dabei auch möglich – das Vorliegen einiger weiterer Bedingungen vorausgesetzt – unter Aufsicht eines Sachwalters das Verfahren in Eigenverwaltung, also durch die Geschäftsführung selbst, abzuwickeln.

 

Wie lange dauert ein Insolvenzverfahren?

Das hängt von den Umständen ab. Da spielen viele Faktoren hinein. So auch die Gläubiger, die in einem Insolvenzverfahren einen großen Einfluss haben. Eine Sanierung des Unternehmens durch Insolvenzplan oder Übertragung auf einen anderen Träger dauert regelmäßig ab Antragstellung zwischen 6 -18 Monaten. Die Abwicklung kleinerer Unternehmen dauert im Schnitt drei bis fünf Jahre; größere ziehen sich mitunter über viele Jahre hin.

 

Eine Insolvenz ist für die Betreffenden keine einfache Situation. Was würden Sie ihnen sagen?

Erkennen Sie Zeichen an. Holen Sie sich frühzeitig Hilfe. Ich verstehe, wenn Geschäftsführer Angst davor haben, diesen Weg zu gehen. Im Falle der Insolvenz sind aber ihre Handlungsoptionen wegen Strafdrohung und Haftung alternativlos. Sie kann außerdem eine Chance sein. Das Insolvenzrecht sieht viele Sanierungs-Instrumente vor, über die die Unternehmen sonst nicht verfügen. Zum Beispiel werden Verträge kündbar oder außer Kraft gesetzt, die unter normalen Umständen noch eine lange Laufzeit hätten und hohe Kosten verursachen. Es lohnt sich also. Eine Insolvenz kann auch eine Chance bedeuten, neue Wege zu gehen, die das Unternehmen langfristig in sicheres Fahrwasser navigieren.

Vielen Dank, Herr Franz.

 

Über Andreas Franz:

Andreas Franz ist Geschäftsführender Gesellschafter der SGP Schneider Geiwitz Nord Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Schwerin. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht und zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater begleitete er unter anderem im Rahmen eines Insolvenzverfahrens die Restrukturierungen der in Dorf Mecklenburg ansässigen mvb – Mecklenburger Verkehrsbetriebe GmbH durch übertragende Sanierung auf die SB Verkehrsbetriebe GmbH und im Jahre 2020 Unternehmen der eigenverwalteten GALERIA-Karstadt-Kaufhof-Gruppe in nur 6 Monaten im Wege von Insolvenzplänen.

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