Insolvenz

Insolvenz und Zahlungsunfähigkeit wegen Corona – erste Informationen

Das Coronavirus und die Folgen der weltweiten Pandemie bestimmen täglich die Nachrichten oder den Alltag in Nordwestmecklenburg und darüber hinaus. Im Bereich der Infektionszahlen steht Mecklenburg-Vorpommern zum Jahresanfang 2021 gegenüber anderen Ländern sehr gut da. Die wirtschaftlichen Folgen treffen das Bundesland jedoch genau wie alle anderen hart. Eine Zwischenbilanz des Wirtschaftsministeriums zeigt für das erste Halbjahr 2020 den größten ökonomischen Einbruch seit Bestehen des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als fünf Prozent. Selbst in der schweren Finanzkrise vor etwas mehr als einem Jahrzehnt gab es keinen vergleichbaren Rückgang. Hinter solchen abstrakten Zahlen stehen am Ende immer viele einzelne Schicksale in Nordwestmecklenburg oder anderswo: Arbeitslosigkeit, eine private Insolvenz oder eine Firmenpleite.

Betroffene oder solche, die einen Konkurs fürchten, finden hier erste Informationen, wie es nun weitergehen kann oder welche Lösungen bei Zahlungsunfähigkeit möglich sind – ganz generell und speziell bei Privat- oder Firmenpleite durch Corona.

Wo erhalte ich erste Hilfe?

Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle
Dr.-Leber-Straße 56
23966 Wismar
Telefon: 03841-39423810
Telefax: 03881- 7859-46
schuldnerberatung.hwi@diakoniewerk-gvm.de

Schuldnerberatung Nordwestmecklenburg
Wismarsche Straße 5
23936 Grevesmühlen
Telefon: 0 38 81 / 71 63 04
Telefax: 0 38 81 / 7 19 80 51
E-Mail: kontakt@schuldnerberatung-nwm.de

Wichtige Erstinformationen zum Thema Insolvenzen

Droht eine Privat- oder Firmenpleite, steht vor einem Insolvenzverfahren in der Regel ein außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern. Gelingt dieser nicht, stellen Privatpersonen beim zuständigen Insolvenzgericht einen Antrag auf Privat- oder Verbraucherinsolvenz. Das Gericht weist ihnen dann einen Insolvenzverwalter zu.

Diesen bekommen ebenso die Selbstständigen für das Regelinsolvenzverfahren. Sie können den Insolvenzantrag jedoch auch ohne Einigungs- oder Vergleichsversuch direkt stellen und fügen ein Vermögensverzeichnis sowie eine Forderungs- oder Gläubigerliste bei.

Dazu muss einer der drei Insolvenzgründe gemäß Insolvenzrecht vorliegen:

• tatsächliche Zahlungsunfähigkeit oder
• drohende Unfähigkeit, weiterhin fällige Verpflichtungen zu erfüllen, und
• Überschuldung

Der Grad zwischen zahlungsunfähig oder nur kurzfristigen Liquiditätsengpässen verläuft dabei sehr schmal. Oft ist für eine genaue Bewertung viel Erfahrung notwendig. Die Überschuldungssituation sieht dagegen schon klar aus: Eine Überschuldung wird immer dann angenommen, wenn aktuelle und erwartete Einnahmen oder Vermögenswerte nicht ausreichen, um bestehende Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Für Unternehmen mit der Rechtsform einer juristischen Person wie GmbH, KGaA, AG oder UG und auch Stiftungen besteht jetzt im Normalfall sogar eine gesetzliche Insolvenzantragspflicht. Diese beträgt für gewöhnlich drei Wochen. Unternehmer oder ihre Geschäftsführer, die diese Frist nicht einhalten, erfüllen den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung.

In Corona-Zeiten gibt es hier jedoch eine wichtige Änderung und Erleichterung für viele Unternehmen. Seit dem 01. März 2020 wurde die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, wenn coronabedingte Zahlungsschwierigkeiten vorlagen. Gleichzeitig musste eine gute Perspektive gegeben sein, dass sich das Unternehmen durch Corona-Unterstützungsgelder oder andere Maßnahmen bald sanieren kann. Galt die Regelung erst bis zum Jahresende 2020, wurde sie jüngst zunächst bis zum 30. April 2021 verlängert.

Dabei gilt jedoch weiter diese Voraussetzung: Unternehmen aus Nordwestmecklenburg oder anderen Regionen müssen einen Anspruch auf staatliche Corona-Finanzhilfen haben und dafür frühzeitig einen Antrag stellen.

Weiterhin sehen sich Unternehmen nicht nur in Nordwestmecklenburg häufiger einem Insolvenzantrag durch einen Gläubiger gegenüber. Dieser kommt besonders oft von öffentlichen Kassen wie den Finanzämtern oder auch den Krankenversicherungen, wenn sie keine Zahlungen mehr erhalten. In der Corona-Krise erhielten betroffene Firmen nur eine kurzfristige Atempause von drei Monaten, in denen Gläubigerinsolvenzanträge eingeschränkt waren. Dies gilt mittlerweile nicht mehr. Können Unternehmer nun einschlägige Zahlungen nicht schnellstmöglich nachholen und gibt es keine begründeten Einwände gegen die Forderungen, empfiehlt es sich, sofort Rat und Hilfe zu holen.

Eine erste Anlaufstelle können Schuldnerberatungen sein. Diese sind oft gemeinnützig und kostenlos. Genauso gibt es aber auch andere Schuldnerberater, die gegen Honorar arbeiten. Sie helfen Unternehmern ebenso wie Privatpersonen, während die kostenlose Schuldnerberatung sich ausschließlich auf Private oder eventuell noch Selbstständige konzentriert.

Selbstständige und Unternehmen finden außerdem Beratung und erste Hilfe bei dem Wirtschaftsservice ihrer Kommune. Weiter können sie einen spezialisierten Berater in der zum Beispiel für Nordwestmecklenburg zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) kontaktieren.

Und schließlich warten noch einige professionelle Sanierungs- und Insolvenzberater, die helfen können, wenn ein Konkurs droht. Hierbei handelt es sich oftmals um Fachanwälte für Insolvenzrecht. Sie kennen sich einerseits bestens mit den komplexen rechtlichen Fragen einer Unternehmensinsolvenz aus, besitzen aber genauso Erfahrung bei der Entwicklung erfolgreicher Sanierungsstrategien und Insolvenzpläne.

Schon Privatpersonen können sich mit einigen Handlungen im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB) bei einem Insolvenzverfahren strafbar machen. Anders als für juristische Personen oder Kapitalgesellschaften gibt es für

• Private oder auch
• selbstständige Einzelunternehmer und
• Personengesellschaften

keine Insolvenzantragspflicht. Das Unterlassen eines Insolvenzantrags ist genauso wenig strafbar wie eine zu späte Beantragung des Insolvenzverfahrens.

Läuft dieses Verfahren jedoch, gelten bestimmte Einschränkungen. Verboten sind

• das Beiseiteschaffen von Vermögen aus der Insolvenzmasse oder dessen Verheimlichung und Zerstörung
• unwirtschaftliche Ausgaben wie Spekulationsgeschäfte
• Untätigkeit bei der Buchhaltung oder fehlerhafte Buchführung
• alle weiteren Handlungen, die das Verfahren und seine Zwecke unterlaufen könnten

Grundsätzlich gelten diese Straftaten als Bankrottstraftaten. Bei der Begehung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens werden sie zu Insolvenzstraftaten. Sie sind mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen ab drei Monaten belegt. Am Ende können bei besonders schwerwiegenden Taten sogar bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe drohen.

Diese Bankrottdelikte können ebenso bei Firmeninsolvenzen begangen werden. Hier sind es dann vor allem die Geschäftsführer, die in das Visier der Justiz geraten. Ohne Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen des Coronavirus passiert das besonders oft wegen Insolvenzverschleppung. Sobald eine Insolvenzreife – mit den drei Insolvenzgründen bestehendes oder drohendes Zahlungsunfähigkeitssein beziehungsweise Überschuldung – erkennbar ist, muss binnen drei Wochen der Insolvenzantrag folgen. Hier ist auch bereits Fahrlässigkeit strafbar und es drohen genauso Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Dazukommen weitere mögliche Straftatbestände mit eher vorsätzlichem Charakter:

• Gläubigerbegünstigung
• Betrug
• Steuerhinterziehung oder
• Untreue und
• das Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Diese sehr umfangreichen Insolvenzstraftaten dienen in erster Linie dem Schutz der Gläubigerinteressen vor bewussten oder fahrlässigen und leichtsinnigen Handlungen der Schuldner. Zugleich sollen sie ein ordnungsgemäßes Insolvenzverfahren sichern.

Achtung: Neben den strafrechtlichen Folgen müssen Privatpersonen oder selbstständige Unternehmer und Freiberufler hier außerdem die Versagung der Restschuldbefreiung fürchten. Dieser letzte Akt ist aber zwingend notwendig für den Abschluss des Insolvenzverfahrens und eine Schuldenfreiheit.

Für ein Firmeninsolvenzverfahren lässt sich keine feste Dauer nennen. Weil die Abläufe und Konstellationen hier meist sehr komplex ausfallen, gibt es bei der Unternehmensinsolvenz keine Normierung – dafür aber Erfahrungswerte.

Zunächst spielen Faktoren wie die Unternehmensgröße, die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der offenen Forderungen eine wichtige Rolle. Davon abhängig nehmen schon Beantragung und die ersten Gerichtstermine bis zu einem Dreivierteljahr Zeit in Anspruch. Anschließend verbleiben Unternehmen im Schnitt um die vier Jahre in der Regelinsolvenz. Bei Großunternehmen kann sich dieser Zeitraum allerdings auch leicht verdoppeln.

Die Regelinsolvenz für Selbstständige endet seit dem 01. Oktober 2020 spätestens nach drei Jahren. Dies galt vorher nur, wenn durch hohe Einkünfte in der Verfahrensdauer – der sogenannten Wohlverhaltensphase – von den Betroffenen über 35 Prozent der Schulden und die Verfahrenskosten bezahlt werden konnten.

Solche Auflagen mussten auch im Rahmen der Verbraucherinsolvenzverfahren zwischen 2014 und dem 01. Oktober 2020 erfüllt werden, wenn die Schuldner die ursprünglich sechs Jahre lange Verfahrensdauer abkürzen wollten. Vor 2014 erlaubte das 1999 eingeführte Insolvenzrecht mit der Insolvenzordnung (InsO) überhaupt keine Verkürzung.

Nun können Privatinsolvenzen ebenfalls in nur drei Jahren abgeschlossen werden. Die Verkürzung von Privat- und Regelinsolvenzen geht auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 zurück. Sie sah das beschleunigte Verfahren für alle selbstständigen Unternehmer vor und empfahl die Abkürzung außerdem für Verbraucherinsolvenzen. Solche EU-Richtlinien gelten nicht automatisch in den Mitgliedsstaaten, sondern müssen von den Regierungen in nationales Recht überführt werden.

Eigentlich wollte sich die deutsche Bundesregierung damit noch Zeit lassen. Eine eigene Umsetzung war zunächst erst für das Jahr 2022 vorgesehen. Doch auch hier hat das Coronavirus dann alles verändert. Um die wirtschaftlichen Nöte vieler Menschen in der Krise aufzufangen, verkürzte man Regel- wie Verbraucherinsolvenz vorzeitig auf jeweils drei Jahre Dauer ohne weitere Bedingungen an die Schuldner.